Love. Peace. Icelandic happiness.

Terrier Fidel ist ein Pöbler. Gemäß seiner eher schmächtigen Statur versucht er, fehlende Körpermasse durch übertriebenes Ego und Großmauligkeit auszugleichen. Irgendwie logisch, wer physisch nicht mithalten kann, muss wenigstens psychisch was her machen (zumindest aus Fidels Sicht … in den Augen aller anderer wirkt er eher unzurechnungsfähig und hysterisch).

Martina, Krafla und Terror – Terrier Fidel

Napoleonkomplex nennt man das, glaube ich. Das kann ich irgendwo nachvollziehen, ich bin ja auch klein. Allerdings pöbel ich eher selten größere Menschen an, zumindest denke ich das. Fidels Verhalten hat zugegebener Maßen extremes Fremdschämpotential. Ich möchte regelmäßig im Erdboden versinken, wenn ich den Terror – Terrier zähnefletschend und keifend an einem liebenswert dreinblickenden, gemütlich daher wackelnden großen Hund vorbei zerren muss, während dieses, in Fidels Augen total gefährlich dreinblickende, Tier voller Geduld die Pöbelattacke hinnimmt und sich wichtigeren Dingen widmet.

Meine Hundetrainerin, die ich einst konsultiert habe, bevor ich Fidels Einzigartigkeit so akzeptiert habe, wie sie ist (manche bösen Zungen behaupten auch ich hätte den Hund aufgegeben), hat mir erklärt, dass nicht jeder Hund eine Toleranz gegenüber Artgenossen hätte, schließlich seien Terrier ja vorwiegend Solitärjäger. Das kann ich bestätigen, solitär ist er gerne, vor allem dann, wenn ich ihn rufe.

Bei meiner Islandstute verhält sich das genau umgekehrt. Die ist gar nicht gern solitär unterwegs. Die lebt eher nach dem Party Motto „Je mehr desto besser“. Das ist jetzt für Pferde ja nichts Ungewöhnliches. Pferde sind Fluchttiere, da macht eine Herde Sinn. Dennoch haben sich, für mich als ehemaligen Großpferdereiter, in den ersten Wochen in einem Islandpferde – Stall ausgesprochen verstörende Dinge abgespielt. Also eigentlich war es eher so, dass ich und mein Verhalten für meine Islandpferd erfahrenen Reiterkollegen verstörend waren.

So habe ich zum Beispiel anfänglich, wenn ich mein Pferd in der Stallgasse an ein paar angebundenen Pferdekollegen vorbei führen musste (wo gefühlt 5 cm Platz hinter den Pferdehintern war) immer gefragt, ob ich wohl hinten vorbei gehen könnte. Da habe ich regelmäßig in verwirrt drein blickende Gesichter geschaut. Ich glaube, das hat meine Reiterkollegen auf sehr vielen Ebenen verstört. So als würde ich jede meiner Handlungen mit ihnen teilen wollen „Darf ich das Pferd jetzt putzen?“, „Kann ich den Sattelgurt nachziehen?“.

Die wussten nicht genau, was ich von ihnen will und haben verstört „Äh ja natürlich geantwortet“, während sie weiter geputzt oder gesattelt oder sonst was gemacht haben. Das wiederum hat mich verstört, wollte ich doch eigentlich vorbei. Bis ich herausgefunden habe, dass ich das auch kann, einfach so, direkt am fremden Pferdepopo dran. Undenkbar wäre das in meinem alten Stall gewesen. Da wurde jeder hinten-vorbei-schiebende Akt von menschlichen Mauern und „Weeeheeee dir“ – Rufen begleitet. Ein paar Leute hätten sich mit Besen bewaffnet positioniert, um die kommende Prügelwelle sofort zu beenden.

Aber der Isländer schert sich nicht drum, wer sich gerade an seinem Hintern vorbei schiebt. Das kümmert ihn einfach nicht. Das hat mich fasziniert. Mir sind dann immer mehr Phänomene dieser Art aufgefallen. Schulpferde, die sich gegenseitig beinahe in den Poppes kriechen, Gewusel in der Halle, wo ein Reiter mal so fokussiert auf eine Übung ist, dass er vergisst auf den Weg zu achten und es zu Aufreitunfällen kommt. Niemals habe ich dabei Gequietsche und das, für mich, obligatorische Ausschlagen in solchen Situationen gesehen.

Fangenspielen in der Halle? Kein Problem!

Wie ich bereits sagte, einfach faszinierend. Obwohl ich mich ja für hochbegabt halte, was Detektivarbeit betrifft, war es dann doch weniger überraschend, dass ich nicht der erste Mensch war, dem das aufgefallen ist. Also hat meine Internetrecherche folgendes zu Tage gebracht: „Islandpferde, aber auch andere nordische Pferderassen weisen Besonderheiten auf, die sich aus ihrem in Jahrtausenden erworbenen angeborenen Verhalten ergeben und die sowohl bei der Einzäunung ihrer Weiden, wie auch bei der geforderten Gruppenhaltung berücksichtigt werden können.“ (Quelle: www.ipzv.de. siehe PDF Haltungsbroschüre 2009) 

Als kurze Erklärung sei gesagt, dass das iberische Pferd oft als Urwarmblüter angesehen wird und im Gegensatz zu den Isländern nicht ganz so kollegial Artgenossen gegenüber ist. Allerdings muss man zur Verteidigung des iberischen Pferdes sagen, dass es aus einer Region stammt, wo Futter eine limitierte Ressource ist. Und bei aller Liebe zur Herde, ist es eher unvorteilhaft fürs Überleben, dicht an dicht gedrängt die paar mickrigen Grashalme zu teilen. Da würde die Evolution wohl für eine schnelle Ausrottung des iberischen Pferdes sorgen. Daher hat sich bei diesen Pferden, wie bei Fidel, eine geringere Toleranz für Artgenossen entwickelt bzw. brauchen sie einfach eine größere Individualdistanz a là „Ich kümmere mich um das Gras hier, du um das Gras da drüben und wir sind cool“.

Genanalysen zeigen, dass auch der Isländer iberisches Blut in sich trägt und dennoch ganz anderes Verhalten an den Tag legt. Das ist gemeint mit der Besonderheit im erworbenen, angeborenen Verhalten. Die Natur ist eben flexibel. Was im Süden unter der spanischen Sonne Sinn macht, muss nicht unbedingt auf der Insel aus Feuer und Eis wahnsinnig erfolgsversprechend sein. In der nordischen Kälte macht Gruppenkuscheln mehr Sinn als alleine Rambo-mäßig durch die Wildnis zu stapfen. Und Pferde, die mehr so wie Fidel sind, werden von der Evolution einfach ausgesiebt, da ist die Evolution beinhart. Wenn also über Generationen hinweg hauptsächlich die Pferde überleben, die wenig Aggression gegenüber Artgenossen haben und den engen Herdenzusammenhalt an die nächsten Generationen weitergeben, hat man irgendwann eine Rasse, die Woodstock-mäßig kein Problem mit engem Körperkontakt hat. In diesem Sinne: Love, Peace and Icelandic Happiness. 

Love, Peace and Icelandic Happiness

 

miia-ps.: Danke an Katharina Christoph für die Fotos einer wunderbaren Islandpferdeherde aus Kärnten. Das große Beitragsbild stammt von einem genialen Almausritt am Islandpferdehof Kirchnerhof in Salzburg. Die Spaßfotos kommen vom Sachsengang 😊! 

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