Veronika Kremmer mit Ísbjörn im Tölt bei der WM_Foto Peter Niess

Er wird es mir zeigen

Nun ist es wieder ein bisschen stiller geworden, kommt mir vor. Die Weltmeisterschaften für Islandpferde in Oirschot sind vorüber, Pferde und Reiter:innen, Familie, Freunde und alle Grooms sind wieder zu Hause. Jetzt ist es Zeit, den Erfolg zu genießen. Zeit sein Pferd zu verwöhnen und auch Zeit, ein bisschen nachzudenken.

2 Pferde schlafen

Auch Veronika Kremmer (aka Vroni) ist seit Dienstag wieder in Ungarn, wo sie lebt und arbeitet. Dieses Jahr ist die erfahrene Reiterin mit dem 17- jährigen Hengst Ísbjörn vom Vinstaðir (im Besitz von Verena Hugeneck) für Ungarn bei der Weltmeisterschaft gestartet – in einem atemraubenden T1-Finale haben die Reiterin und der weiße Hengst gezeigt, was sie können.

Ich dachte mir – ich ruf Vroni mal an und frag sie, wie das denn so ist. In die tosende WM-Arena einzureiten und sein Bestes zu geben.

miia: Vroni, wieder gut zu Hause angekommen?

Vroni: Ja, ich bin seit Dienstag wieder zurück in Ungarn, Ísbjörn ist auch wieder da – er wurde gemeinsam mit den Semriacher-Pferden aus Holland zurück gebracht. Ich hab 20 Stunden nach Hause gebraucht, mein Auto hat nämlich beschlossen in Deutschland in eine Werkstatt zu müssen. Jetzt bin ich aber wieder da und es geht mir gut.

miia: Und wie geht es Ísbjörn?

Vroni: Ísbjörn geht´s ebenfalls gut. Er ist schon bei seinen Stuten, die Eisen sind ab, er hat jetzt einen echt wohlverdienten Urlaub.

Ísbjörn im Urlaub

miia: Ich bin neugierig: Wie ist das denn so, bei einem T1-Finale bei einer Weltmeisterschaft?

Vroni: Also – das ist schon was ganz anderes als ein Finale auf normalen Turnieren 🙂 . Ich war sehr angespannt vor so vielen Leuten zu reiten. Du musst dir vorstellen, es ist unglaublich laut, du reitest ein, die Leute klatschen und schreien. Die Tribünen sind an drei Seiten, durch die Überdachung ist das wie ein brodelnder Kessel, in den du da einreitest. Der Geräuschpegel war enorm. Ich war echt geflasht. Ein bisschen überrumpelt kann man vielleicht sogar sagen. Es war ein Wahnsinnsgefühl. Einfach unbeschreiblich. Für so eine Stimmung braucht man aber auch ein geeignetes Pferd.

miia: Das du mit Ísbjörn scheinbar hattest …

Vroni: Ich hatte das Gefühl, dass Ísbjörn das super fand. Er hat mich da durchgetragen. Ich glaube, diese Stimmung hat ihn richtig angespornt.

Veronika Kremmer und Ísbjörn_Foto von Peter Niess

miia: Mir erzählen Reiter:innen ja oft, dass man vieles gar nicht mitbekommt, wenn man einreitet. Man hört die Musik nicht, man nimmt die jubelnden Menschen nicht wahr – weil man so konzentriert ist. War das bei dir nicht auch so?

Vroni: Das war sicher in der Vorentscheidung so. Da hatte ich beim Einreiten in die Arena noch viel mehr Stress, weil ich ja nicht wusste, wie Ísbjörn reagieren würde. Beim ersten Mal weißt du ja überhaupt nicht, was auf dich zukommt. Die Erwartungshaltung war hoch – meine eigene und die der anderen. Der Druck war also groß. Und ich hatte natürlich keine Ahnung, wie das Pferd das alles findet. Im Finale war es dann ein bisschen anders, da wusste ich ja schon, dass Ísbjörn seinen Auftritt genießt. So konnte ich die Stimmung rundherum dann schon ein bisschen spüren und auch genießen.

Veronika Kremmer und Ísbjörn_Neddens Tierfoto

miia: Und wie war es, dieses Finale zu reiten?

Vroni: Naja, ein T1-Finale ist ja viel anstrengender für das Pferd, als die Vorentscheidung, weil die Prüfung einfach viel länger dauert. In der Vorentscheidung bist du nach 3 Runden wieder draußen. Das Finale ist viel länger und daher kräftezehrender. Meine einzige Befürchtung war, dass Ísbjörn die Kraft ausgeht. Ich hatte mit seinem Training erst im Mai vor der WM begonnen. Daher kam meine Sorge. Aber er ist weit über sein gedachtes Limit gelaufen. Er hat echt 200 % gegeben.

miia: Bist du stolz?

Vroni: Und wie. Allerdings mehr auf das Pferd als auf mich.

Ísbjörn mach ein Kompliment

miia: Wie ist Ísbjörn denn so?

Vroni: Er ist ein Wahnsinn. Er hat einen unglaublichen Charakter. Jeder, wirklich jeder, könnte ihn reiten – so brav ist er. Er würde nie etwas gegen seinen Reiter unternehmen, er ist einfach ein feiner Kerl. Er ist immer voll da. Sein Grundcharakter ist fantastisch, klar muss man ihn aber gut reiten können, wenn man Leistung auf höchstem Niveau von ihm möchte. Natürlich ist er ehrlicherweise auch ein bisschen verzogen. Wenn er ein Keks will, dann besteht er richtig drauf. Er weiß aber immer ganz genau, was er machen darf und was nicht. Er ist ein schlaues Pferd. Sehr umgänglich. Wenn er auf ein Turniergelände kommt, muss er schon mal laut wiehern und sagen, dass er da ist. Aber auch in so einer Situation könnte ihn ein kleines Kind am Strick führen.

Ísbjörn und Veronika "steigen" in der Halle_Foto privat

miia: Wie trainierst du ihn?

Vroni: Wir haben erst seit kurzem eine Ovalbahn hier. Bis dato hab ich ihn eigentlich nur beim Ausreiten trainiert. Und vor Turnieren bin ich dann immer zum Training nach Semriach gefahren. Das Wichtigste bei Ísbjörn ist, dass er gute Laune und Kraft haben muss, um volle Leistung zu bringen. Viel am Reitplatz zu reiten vermiest ihm eher die Laune. Also ist die Abwechslung superwichtig. Ich nehme ihn oft als Handpferd mit, ich gehe mit ihm schwimmen und Rad fahren. Am liebsten hat er aber ein zweites Pferd dabei. Er geht jeden Tag auf die Wiese und spielt auch gerne mal mit seinen Wallachen-Freunden.

Veronika und Ísbjörn gehen schwimmen_Foto privat

miia: Wie viele Nachkommen hat er eigentlich schon?

Vroni: Im Worldfengur sind derzeit 93 eingetragen.

miia: Wie hältst du dich als Reiterin fit?

Vroni: Meine Fitness bringt mein Beruf mit sich. Ich reite jeden Tag 10 Pferde, das reicht schon 🙂 ! Vor der WM bin ich ein bisschen laufen gegangen – aber eher um mein schlechtes Gewissen und den aufkommenden Stress zu beruhigen.

miia: Und wie geht es jetzt weiter?

Vroni: Ich habe hier einige 5 und 6-jährige Pferde, die eingeritten und ausgebildet werden müssen – da sind ein paar sehr vielversprechende darunter. Aber da muss man einfach schauen, was kommt. Mit dem “Eisbären” werde ich weiter ausreiten gehen und wenn er gut drauf ist, Turniere reiten. Er wird mir zeigen, wann es ihm reicht. Das kann man nicht planen. Vielleicht ist er in 2 Jahren ja wieder so gut drauf wie jetzt. Mir ist einfach wichtig, dass es ihm gut geht, für keine WM der Welt würde ich dieses Pferd kaputt machen oder überfordern. Er wird mir schon zeigen, was er tun möchte. Und für mich ist das alles sehr entspannt. Ich brauche ja auch einen tollen Freizeitpartner.

miia: Danke, liebe Vroni für das Interview und alles Gute für eure Zukunft!

Vroni: Gerne. Danke!

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