Richter Alexander Sgustav sitzt am Fuße eines Richterhäuschens in einer Pause

Der Fairness verpflichtet

Zwei Mal war Alexander Sgustav bereits Richter bei Weltmeisterschaften für Islandpferde. Zahlreiche Richteinsätze bei Turnieren und Meisterschaften über viele Jahre in ganz Europa, bis hin zu Landsmót und Meistaradeild machen ihn zu einem der erfahrensten Richter*innen, die es derzeit wohl in der Islandpferdewelt gibt. Außerdem ist er ein superguter Freund von mir und wir besitzen eine Stute gemeinsam – da liegt es nahe, ihn auch mal zu interviewen. Wir plaudern ja sehr viel einfach so, der “Xandl” und ich. Diesmal hab ich Alexander Sgustav aber zum ernsthaften WM-Interview gebeten:

Alexander Sgustav und Katharina Brandel

miia: Xandl, unterscheidet sich das Richten einer Weltmeisterschaft von anderen Richteinsätzen?

Xandl: Ja, durchaus. Ich kann natürlich immer nur für mich persönlich sprechen. Aber das Richten einer Weltmeisterschaft ist schon alleine aufgrund der Stimmung ganz besonders. Die vielen Fans, die vielen Nationen, der Andrang, der herrscht, die Atmosphäre unter den Reiter:innen. Ich habe auch bemerkt, dass ich als Richter der WM – anders als bei anderen Turnieren – nicht so oft angesprochen wurde. Das ist aber nicht verwunderlich. Die Richter und Richterinnen einer WM sind gemeinsam in einem Hotel untergebracht, essen ausschließlich miteinander, es gibt eher wenig Möglichkeit für Kontakte mit anderen. Durch diesen Abstand entwickeln die Richter:innen dort eine Art Teamgeist, kommt mir vor. Man tritt als Team auf und hält zusammen. Das zeigt sich am gemeinsamen Einmarsch und am gemeinsamen Gruppenfoto. Es ist übrigens für Richter:innen auf der Weltmeisterschaft auch ganz streng verboten, Alkohol zu trinken. Zumindest war das 2013 und 2015 so.

Alexander Sgustav und Reitern und Kollegen

miia: Kann man sich auf so einen Richteinsatz überhaupt gut vorbereiten?

Xandl: Es gibt im Vorfeld der Weltmeisterschaft ein Seminar, an dem alle Richter:innen teilnehmen müssen. Dabei werden Videos gerichtet und alle abweichenden Noten diskutiert. Es soll möglichst nicht passieren, dass der eine einen 7er gibt und der andere einen 5er, so wie man das manchmal beobachtet. Das Ziel ist ein einheitliches Richten.

Richterkollegium

miia: Stell ich mir trotzdem schwierig vor …

Xandl: Ist es auch. Man ist aber nicht ganz allein. Du musst wissen, dass in jedem der 5 “Richterhäuschen” 2 Personen sitzen. Ein Richter und ein Richtersekretär, der selbst auch ein ausgebildeter Richter ist. Diese Kleinteams werden ausgelost, jeder der Richter und Richterinnen hat mal diese, mal jene Aufgabe. Diese Auslosung ist übrigens (halb-)öffentlich – alle Richter:innen sind bei der Verlosung anwesend.

Xandl und Hördur Hakonarson

miia: Wie kommt man eigentlich zu der Ehre?

Xandl: Nun, man bewirbt sich und wird dann von den zuständigen Gremien der FEIF ausgewählt.

miia. Ist man eigentlich nervös?

Xandl: Da kann ich wieder nur für mich sprechen. Ich bin sicher, dass es Kolleg:innen gibt, die nervös sind, wenn 10.000 Islandpferde-Fans ihnen bei der Arbeit zuschauen. Ich kann nur für mich sagen, dass ich mich beim Richten supergut entspannen kann. Als Richter habe ich den besten Platz, die Mitte der Bahn! Ich genieße das sehr. Man sieht sehr, sehr gute Leistungen und wird natürlich ein Stück weit von der Atmosphäre mitgenommen. Man muss nur immer aufpassen, dass man den Leitgedanken treu bleibt. Dass man sich eben nicht beeinflussen lässt, wenn ein blaues Jacket (Anm. kommt dann aus Island) einreitet und 5.000 Menschen jubeln. Man darf sich davon nicht verleiten lassen, bessere Noten zu geben. Man muss es aushalten können, vielleicht auch mal einem berühmten Namen eine nicht so hohe Note zu geben. Aber auch andersherum: Natürlich fühlt es sich super an, einem Pferd in einer Endausscheidung einen 10er zu geben und damit der absolute Star für die tobenden Fans zu werden. Aber auch das darf nicht passieren. Auch davon darf man sich nicht verleiten lassen. Du hast nun mal die Aufgabe, das zu beurteilen, was du in diesem Moment siehst. Das Ziel ist faires Richten in den Vorentscheidungen und in den Finali. Du musst die Umgebung ausblenden können. Das kann man trainieren und es wird natürlich mit der langen Erfahrung immer leichter (die ich schon habe 🙂 ).

Unter den Zusehern

miia: Werden Abweichungen bei der Notengebung besprochen?

Xandl: Ja, jeden Tag werden Entscheidungen in der Richtergruppe analysiert. Unter Anwesenheit des Chefrichters Þorgeir Guðlaugsson werden vor allem auch Abweichungen diskutiert und offen besprochen. Bei der letzten WM hat es da schon einige gegeben.

Alexander Sgustav mit Kollegen beim Meistaradeildin

miia: Ich stelle mir auch den Druck auf Richter und Richterinnen im Fall von Disqualifizierungen groß vor.

Xandl: Das stimmt. Das muss man aushalten können. Da kommt es natürlich zu großem Unmut und großem Unverständnis. Auch eine Disqualifikation muss letztendlich der Chefrichter verantworten. Es ist einfach sehr wichtig, dass ein strenges Auge auf die Gesundheit der Pferde gerichtet wird. Es gibt noch vor dem Turnier für jedes Pferd einen “Fit-to-compete-Test” und nach jedem Bewerb ausnahmslos eine Ausrüstungs- und Pferdekontrolle. Wenn es Zweifel gibt, wird auch noch der Turniertierarzt beigezogen.

Richter Alexander Sgustav_foto von Nicole Heiling

miia: Wie gehst du mit Kritik um?

Xandl: Ich möchte beim Richten nach einem Turnier das Gefühl haben, ich war fair und gerecht und kann meine Notengebung argumentieren. Man steht immer im Kreuzfeuer der Kritik, ganz besonders bei so Großveranstaltungen wie der WM. Ich stelle mich immer gerne den Diskussionen. Wichtig ist mir nur, dass ich hinter meinen Noten stehen und sie erklären kann.

miia: Und was wünscht du nun allen Beteiligten an der WM?

Xandl: Ich wünsche Ihnen allen ein spektakuläre Atmosphäre, tolle Leistungen, lustige Fans, aber auch gutes Wetter! Möge es ein würdiges Fest für unsere Islandpferde werden.

miia: Danke, lieber Xandl für das Interview!

PS: Das große Beitragsbild hat Patrick Zrnjevic gemacht.

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