(K)Eine Panik

Während das gefährliche Coronavirus die Menschheit in Atem hält, ist die Pferdewelt wegen eines weiteren Virus besorgt. Das Equine Herpesvirus ist in aller Munde, Impfstoffe nicht mehr verfügbar, Pferdebesitzer*innen in Aufruhr.

Ich wollte da einmal nachfragen. Wie ich es immer mache, wenn ich mich nicht gut auskenne. Fakten sind immer eine gute Quelle für die eigene Meinungsbildung 🙂 . Ich habe mich an Lilo Pritz, Pferdetierärztin aus der Steiermark, gewendet und sie konnte mir all meine Fragen zum Herpesvirus beantworten. Lest am Besten selbst:

miia: Seit ein paar Wochen ist die Pferdewelt in ganz Europa sehr besorgt wegen des Equinen Herpesvirus. Turniere und alle Formen der Zusammenkünfte von Pferden wurden untersagt bzw. wird davon dringendst abgeraten. Was ist dieses Virus überhaupt, ist es wirklich so gefährlich und warum ist gerade jetzt die Besorgnis so groß?

Lilo: Es gab im Februar in Spanien (Valencia) ein großes internationales Turnier mit mehreren (!!!) hundert Pferden – dort gab es einen Herpes Virus Ausbruch. Dadurch wurde dieses Virus weit umher getragen. Durch dieses Ereignis ist die Erkrankung derzeit in aller Munde und wird von diversen Medien auch noch aufgebauscht. Die Erkrankung kursiert um diese Jahreszeit IMMER in einzelnen Stallungen in Österreich (und anderen Ländern), nur redet keiner drüber 🙂 .

Bisher wurden der VÖP (Vereinigung österr. Pferdemediziner) 4 Herpesfälle in Österreich gemeldet: 1 in Innsbruck, 1 in Klagenfurt, 1 in Dornbirn, der 4. Fall in ÖO hatte Druse und Herpesviren im Nasentupfer. Diese Fälle lassen sich bisher nicht mit Valencia in Zusammenhang bringen. Im ersten Halbjahr 2020 waren es übrigens 11 Fälle/Ställe die EHV 1 und/oder 4 hatten und der VÖP gemeldet wurden.

Die große Gefahr hinter dieser Erkrankung ist die Herpesvirus Myeloenzephalopathie. Die meisten an Herpes erkrankten Pferde zeigen Nasenausfluss, eventuell Fieber, Mattigkeit. Da wird oft gar nicht großartig diagnostiziert. Typisch sind die neurologischen Symptome und die treffen Gott sei Dank nicht alle, sondern eigentlich oft nur einzelne Patienten – schwankender Gang im Zuge einer fieberhaften Erkrankung, Harnabsatzstörungen, im schlimmsten Fall Festliegen! Das ist das, wovor sich alle fürchten. Bei festliegenden Pferden ist die Prognose nicht gut. Leider ist diesen Patienten oft nicht mehr zu helfen. Ein anderer Herpes Stamm verursacht Spätaborte oder lebensschwache Fohlen. Oft treten diese Stämme EHV 1+4 gemeinsam auf.

Gesunde Pferde_Foto Nicole Heiling Photography

miia: Sind/Waren Islandpferde davon auch betroffen?

Lilo: Natürlich trifft die Erkrankung Islandpferde genauso.

miia: Wie wird das Virus übertragen? Können auch Menschen das Virus in einen Stall „einschleppen“?

Lilo: Die Übertragung erfolgt durch Tröpfchen Übertragung, kann aber auch über Gegenstände erfolgen. Hier gilt, wie IMMER!!! Man sollte nicht unbedingt von einem Stall in den nächsten fahren und alle Pferde abschnuddeln. Grundsätzlich nicht! So wird allen möglichen ansteckenden Erkrankungen Tür und Tor geöffnet. Ein weiteres NO-GO ist, bei einem Nachbarn an den Koppeln vorbeizureiten und die Pferde zusammen schnuppern zu lassen!

miia: Ich wollte meine Pferde impfen lassen, habe aber leider gehört, dass Impfstoff Mangelware und nur für einige wenige Tiere verfügbar ist. Eine groteske Parallele zum Coronavirus. Warum ist das so? War mit so einem Ausbruch nicht zu rechnen?

Lilo: Leider ist der Impfstoff derzeit tatsächlich ausverkauft. Es gab bis zu den Meldungen durch Verbände und Medien keine Probleme, aber seitdem will natürlich jeder impfen und die Lager sind leer. Bis nachproduziert wurde, müssen wir Geduld haben. Wie gesagt, den Ausbruch gibt es immer um diese Zeit, aber der Impfwille der Pferdebesitzer ist quasi explodiert! Wichtig bei der Herpes Impfung ist eigentlich der Bestand – ein einzelnes Pferd in einem Stall mit 30 anderen zu impfen ist nicht sehr sinnvoll. Es ist nur hilfreich, einen ganzen Bestand zu impfen. Die Impfung schützt nicht vor einer Infektion, nicht vor neurologischen Symptomen! Sie kann aber die Herdenimmunität erhöhen und die Virusausscheidung vermindern. Wichtig ist vielleicht auch, dass 60% unserer Pferde ohnehin mit den Herpesviren rumlaufen 🙂 ausbrechen tut`s wegen Stress!

miia: Was können wir Islandpferdebesitzer nun machen, um unsere Pferde wirksam zu schützen?

Lilo: Eine Schutzmöglichkeit ist Stressvermeidung und eventuell mit der Einsteller-Community eine Impfüberlegung besprechen. Da eben nur ein geimpfter Bestand sinnvoll ist. Zusätzlich mit Hirn fremde Ställe besuchen – also Kleidung tauschen oder engen Kontakt mit fremden Pferden meiden.

miia: Wie lange dauert so ein Ausbruch des Herpesvirus? Wochen? Monate?

Lilo: Wie bei so vielen Erkrankungen ist die warme Jahreszeit heilsam 😉 .

miia: Ich habe schon Stimmen gehört, die die Debatte und die Vorsichtsmaßnahmen als „Panikmache“ bezeichnen. Wir Menschen sind derzeit ja sicher sehr sensibel, wenn es um gefährliche Viren geht … wie siehst du das? Übertrieben oder angemessen?

Lilo: Überreaktion oder Panikmache ist wahrscheinlich nicht gar so falsch, da hier über eine völlig normale Krankheit diskutiert wird. Herpes kommt jedes Jahr, wie auch die Druse … über die Sommermonate wird es diesbezüglich meistens ruhiger. Da bei uns zu dieser kalten Jahreszeit jetzt wenig Veranstaltungen sind, sind wir im Islandpferdesport hier etwas sicherer. Natürlich verstehe ich, dass internationale Veranstaltungen derzeit verschoben/abgesagt werden. Veranstaltungen mit mehreren hundert Pferden sind natürlich für Seuchen ein toller Spielplatz! Nächsten Winter wird es wieder Herpes Erkrankungen geben … vielleicht interessiert`s dann wieder keinen. Außer es gibt wieder eine Großveranstaltung wo´s ausbricht …

miia: Danke, liebe Lilo, für deine Antworten!

Lilo: Bitte, gern!

Ps: Die Symbolfotos dieses Beitrags kommen von VI Photography und Nicole Heiling Photography! Danke schön!

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