Inspiriert, motiviert & optimistisch

Henning Drath habe nicht lang überlegt, erzählt er mir. Er habe einfach angefangen. Er wollte der Islandpferdewelt die Gemeinschaft zurückgeben, die ihr die Corona-Epidemie von einem Tag auf den anderen weggenommen hat. Da hat er 2020 einfach mal den Cybertölt erfunden. Am kommenden Samstag geht es wieder los. Grund genug, den Vater dieses Events anzurufen und ihm ein paar Fragen zu stellen.

Miia: Henning, wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, eine Veranstaltung wie den Cybertölt ins Leben zu rufen?

Henning: Das ist leicht erklärt 🙂 ! Wir sportinteressierten Islandpferdefreunde sind seit vielen Jahrzehnten daran gewöhnt, an Wochenenden bei Turnieren zusammenzukommen und unseren sportlichen Ehrgeiz miteinander auszuleben. Wir lieben es einfach, unsere gemeinsame Leidenschaft, die Islandpferde, zu feiern. Als wir letztes Jahr von der Corona-Pandemie überrascht wurden, kam all das zum Stillstand. All das Miteinander. Die gemeinsamen Wochenenden. In ganz Europa war es nicht mehr möglich, dass wir uns treffen. Das wollte ich ändern. Ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, der Islandpferdewelt weiterhin ein Gefühl von Miteinander zu geben. Also dachte ich mir, wenn niemand mehr reisen darf, verlegen wir die Turniere doch einfach in den virtuellen Raum. Und so wurde aus meinem Vorhaben der Cybertölt.

Miia: Was kann man sich nun unter Cybertölt vorstellen – für die, die davon noch nie gehört haben?

Henning: Jeder teilnehmende Reiter reitet bei sich zu Hause unter verantwortungsbewusster Einhaltung aller örtlichen Sicherheitsbestimmungen einen beliebigen Tölt- oder Gang-Bewerb mit seinem Pferd und lässt sich dabei filmen. Dieses Video schickt er dann per Mail an mich. Ich ordne all die eingelangten Videos nach Bewerben und reihe sie aneinander. Die Zuseher sehen am Spieltag, wie bei einem ganz normalen Turnier auch, die Bewerbe und einen Reiter nach dem anderen. Allerdings immer auf anderen Ovalbahnen, was dem Ganzen eine sehr abwechslungsreiche Note gibt 🙂 ! Mal siehst du eine Ovalbahn aus Island, dann wieder eine aus Italien. Je nachdem, woher der Reiter eben kommt. Ich moderiere das Turnier durchgehend und lege auch noch die jeweilige Wunschmusik der teilnehmenden Reiter unter ihre jeweiligen Ritte. Es richten international erfahrene Richter und nach jedem Ritt werden die Noten eingeblendet. Fast wie bei echten Turnieren.

Miia: Wie haben die Leute 2020 auf diese Idee reagiert?

Henning: Als wir das ausgeschrieben haben, war die Resonanz unglaublich groß. Und so haben wir einfach angefangen. Ohne lang zu überlegen. Wir haben einfach mal losgelegt. Wir waren dann, am ersten Spieltag, überwältigt vom Ansturm der Zuseher. Anfänglich ging sogar unser Server in die Knie, und wir haben parallel auf Facebook übertragen, damit auch alle Reiter und Fans ihre Ritte und Noten sehen konnten. Alles in allem kann ich sagen, dass wir an all den Spieltagen letztes Jahr fast 400.000 Aufrufe der Videos hatten. Das war beachtlich. Ein Drittel der Reiter kam 2020 aus dem Ausland, aus der Schweiz, Österreich, Dänemark, Norwegen, Island, Schweden und Italien.

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Miia: Was war das Schönste für dich?

Henning: Das Schönste für mich waren die Reaktionen der Zuseher. Sie haben mir Bilder geschickt, wie sie vor den Bildschirmen sitzen, wie sie miteinander (wenn es erlaubt war) zu Abend gegessen haben, gegrillt und auch mal das eine oder andere Gläschen getrunken haben – da wusste ich, dass mir genau das gelungen ist, was ich erreichen wollte: unser Gemeinschaftsgefühl konnte auch in Zeiten einer Pandemie weiterbestehen. Das Miteinander war so spürbar. Natürlich war mir immer und zu jedem Zeitpunkt die Einhaltung sämtlicher Sicherheitsmaßnahmen sehr, sehr wichtig, aber daran haben sich alle ganz prima gehalten.

Miia: Wie geht es heuer weiter?

Henning: Wir starten am kommenden Samstag, dem 27. März, pünktlich zur Primetime um 20 Uhr mit T2 und V1 auf www.isibless.de. Danach wird es weitere Spieltage mit den weiteren Disziplinen wie T1, Fünfgang, den leichten Prüfungen T8 und V5 wie auch Futurity geben. Ich bin auch dieses Jahr sehr positiv, guter Laune und vor allem dankbar. Dankbar den Sponsoren, die wieder mit dabei sind. Den Richtern, die nicht nur einen tollen Job machen, sondern auch bei ihren Honoraren sehr fair und entgegenkommend sind. Ich bin einfach allen Förderern und Partnern dankbar. Und natürlich vor allem den Reitern, die schon fleißig trainiert, gefilmt und ihre Videos geschickt haben.

Miia: Wie hoch ist die Teilnehmerzahl dieses Jahr im Vergleich 2020?

Henning: Die Zahl der Reiter aus dem Ausland ist vergleichbar mit der vom letzten Jahr. Die Gesamtzahl der Starter war anfangs auch so wie letztes Jahr. In den letzten Tagen hatten wir aber ein paar Streichungen, die hoffentlich durch weitere Nennungen wieder ersetzt werden. Eine kleine Hürde ist nämlich zusätzlich zum Coronavirus nun auch noch das Herpesvirus, das verhindert, dass Reiter mit ihren Pferden auf eine andere Bahn zum Reiten kommen und dort ihre Videos aufzeichnen können. Das hat zu ein paar Streichungen geführt, aber ich hoffe, dass sich das Thema EHV-1 bald wieder beruhigt und danach umso mehr Reiter mitmachen können.

Miia: Wer kann sich bei dir melden und mit dabei sein?

Henning: Wir haben alle Arten von Bewerben. Viergang, Fünfgang, Tölt in allen Leistungsklassen bzw. stets offen für alle. Der Cybertölt ist perfekt für Reiter, die eine Standortbestimmung durch echte Richter in einer echten Prüfung wollen. Die Reiter aller Sportklassen haben so die Möglichkeit, einmal einzeln ihre Ritte zu zeigen. Manche möchten vielleicht ein neues Pferd vorstellen oder einen für sie bislang ungewohnten Bewerb ausprobieren. Andere wollen vielleicht mal spüren, wie sich das Turnierreiten mit Noten überhaupt anfühlt.

Miia: Gibt es bei all den schönen Momenten auch solche, die du als Herausforderung für dich und dein Team bezeichnen würdest?

Henning: Ja, die gibt es natürlich. Ich versuche, so flexibel wie möglich zu sein und den Reitern möglichst weit entgegen zu kommen. Während das bei anderen Turnieren nicht möglich ist, sind wir hierbei gerade wegen der etwas schwierigeren Umstände anhand von Corona & Co. ein Stück weit flexibler, wenn jemand auch nach Ablauf der Anmeldefrist schreibt, er oder sie möchte noch mit dabei sein. Wir bemühen uns dann, das möglich zu machen. Wir versuchen einfach, möglichst reiterfreundlich zu sein. Die Koordination dieser großen Flexibilität kann man schon als gewisse Herausforderung bezeichnen. Der Zeit- und Arbeitsaufwand für das Zusammenschneiden der Videos, die Datenmengen, die hin und her bewegt werden müssen und den Zeitaufwand für die Richter darf man nämlich nicht unterschätzen.

Miia: Wie viele Stunden Arbeit bedeutet die Organisation des Cybertölts für dich?

Henning: Man kann sagen, für jede Stunde, die die Zuseher am Spieltag sehen, stehen mindestens 2 Stunden Arbeit im Hintergrund. Nicht wenig also. Aber die vielen Zuseher und die vielen Reiter, die sich dann über das Gesehene freuen, motivieren mich sehr weiterzumachen.  

Miia: Wie siehst du die Zukunft des Cybertölts? Wird es ihn auch nach Corona geben?

Henning: Ich würde tatsächlich gerne weitermachen, denn ich finde den internationalen Austausch großartig und auch, dass wir dadurch so viele verschiedene Reitbahnen und Anlagen zu Gesicht bekommen. Ich möchte den Cybertölt daher gerne auch in Zukunft anbieten. Pandemieunabhängig. Ob das aber gelingen wird, werden natürlich die Reiter und Zuseher entscheiden.

Miia: Henning, wie würdest du mit 3 Worten deine derzeitige Stimmung beschreiben?

Henning: Inspiriert, motiviert und optimistisch. Ich bin inspiriert durch die vielen positiven Rückmeldungen der Leute, motiviert, gute Arbeit zu leisten und optimistisch, dass wir bald und gut aus dieser Pandemie herauskommen werden. Natürlich macht mich allgemeine die Lage nicht an jedem Tag gleichermaßen fröhlich. Bei allem absolut notwendigen Verantwortungsbewusstsein und einem Wissen um die Schwierigkeit und Tragik der Situation bin ich dennoch der Meinung, dass wir alle gemeinsam nach vorne blicken müssen. Es wird uns gelingen, mit allgemeiner Sorgfalt und hoffentlich baldiger Impfstoff-Verfügbarkeit da wieder herauszukommen. Wenn auch nicht so schnell, wie wir anfangs dachten.

Miia: Und wer jetzt noch Lust bekommen hat, beim diesjährigen Cybertölt dabei zu sein …

Henning: … meldet sich am besten ganz einfach per Mail bei mir unter mail@isibless.de. Das gilt für Reiter ebenso wie für interessierte Förderer und Prüfungspaten, über die ich mich sehr freuen würde 🙂 !

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Miia: Danke für das tolle Gespräch und viel Erfolg für den Cybertölt 2021!

Henning: Danke dir!

Ps: Das Beitragsbild wurde von isi-design.fotograf gemacht.

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