Urlaub einmal anders

Wenn jemand schon ganz lang einen Traum träumt und sich etwas wirklich, wirklich wünscht, dann kann es schon vorkommen, dass dieser Traum auch mal in Erfüllung geht. Mein so richtig, richtig intensiv geträumter Traum steht zum Beispiel jetzt gerade auf einem Paddock und schläft. Oder frisst? Meine Náma ist irgendwann mal Wirklichkeit geworden. Geträumt hatte ich von ihr mein Leben lang. 

Anna Lisa – ich hab euch schon mal vor ihr erzählt – hatte auch so einen tollen Traum. Der gar nicht so einfach zu verwirklichen war, spricht doch in ihrer Lebenssituation viel dagegen, ihn zu realisieren. Hof, Kind, Ehemann, viel Arbeit, viel Verantwortung – und dennoch. Der Traum, einmal im Leben in Island zu arbeiten, sollte sich Ende Oktober für sie doch erfüllen. Wie kam`s? Und wie war`s? Anna Lisa und ich haben eines Abends lange telefoniert und sie hat mir ihre Island – Geschichte erzählt.

Foto by Anna Lisa Zingsheim

miia: Anna Lisa, was bedeutet Island für dich?

Anna Lisa: Island ist ein Kindheitstraum. Seit ich auf Islandpferden reite, war es mein Traum, einmal in Island mit Pferden zu arbeiten. Und das war ja eigentlich auch mein Plan bis vor einigen Jahren. Ich wollte nur kurz in Deutschland arbeiten und von dort weiter nach Island ziehen. Es ist dann aber alles anders gekommen 🙂 . Heute lebe ich in Deutschland und habe meine Familie hier. Und das ist auch schön so. Aber seit damals hatte ich immer eine Sehnsucht in mir. Das Gefühl, das noch erleben zu wollen. Eine Sehnsucht. Auf der WM dieses Jahr hatte ich dann das Glück, mit Hulda Gustafsdóttir und Hinrik (aka Hinni) Bragason, die ich schon lange kenne, ins Gespräch zu kommen. Sie haben mich für 2 Wochen auf ihr Gestüt Árbakki in der Nähe von Hella eingeladen.

miia: Was waren deine ersten Gedanken?

Anna Lisa: Dass das alles nicht so leicht ist! Ich habe die Verantwortung für einen Hof, ich habe eine kleine Tochter … außerdem hab ich mir Sorgen gemacht, ob ich das überhaupt kann. Die Leute, so dachte ich mir, haben sicher eine hohe Erwartungshaltung. Würde ich überhaupt bestehen können? Würden wir uns gut verstehen? Auch in reiterlicher Hinsicht. Es hat ja jeder ein anderes System, eine andere Vorstellung vom Reiten. Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf! 

Foto by Anna Lisa Zingsheim

miia: Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg?

Anna Lisa: Ja, genau. Ich wusste, dass mein Mann sich supertoll um unsere Tochter kümmern würde, da hatte ich überhaupt keinen Zweifel oder Sorgen, dass das nicht klappen könnte. Alles andere ließ sich auch organisieren – also war ich dann mal weg 🙂 ! Für zweieinhalb Wochen in Island arbeiten. Von 15. bis 31. Oktober. Was für ein Traum. Arbeiten im Urlaub – fern von aller Verantwortung. Ein bisschen Freiheit haben. Ich war ehrlich gesagt sehr aufgeregt. Aufgeregt, noch einmal auf neue Art gefordert zu werden.

miia: Wie war es dann, als du angekommen bist?

Anna Lisa: Ich wurde am Flughafen von Hinni abgeholt. Er spricht super deutsch, das hat mir das Ankommen natürlich erleichtert. Ich habe mich sofort, vom ersten Moment an, wohl und geborgen gefühlt. Ich wurde wirklich herzlich empfangen und hab mich gleich gut aufgehoben gefühlt. Als wir dann am Hof angekommen sind, hab ich zwei andere Mitarbeiterinnen kennengelernt, Brynja und Dana, mit denen ich mich sofort gut verstanden hab. Es waren beide richtig lustige, aufgeweckte Mädls, mit denen ich in einer Wohnung zusammengewohnt hab. Wir hatten zwar jede ein eigenes Zimmer, aber Küche und Wohnzimmer zusammen – es war also eine echte WG. 

Foto by Anna Lisa Zingsheim

miia: Wie war dein Tagesablauf?

Anna Lisa: Nun, ich hatte eine 5 Tage-Woche. Von Montag bis Freitag. Es war fein, weil es wurde jeden Tag erst um 8h gefüttert, dann haben wir gemeinsam eine Frühstückspause gemacht. Dann ist es weitergegangen mit der Arbeit. Hier zuhause füttere ich um halb sieben und Frühstückspause kenne ich nicht 🙂  !

miia: Also war es ein entspannteres Arbeiten als zu Hause?

Anna Lisa: Ja auf jeden Fall! Lustig war nur, dass ich trotzdem jeden Tag um 4.20h aufgewacht bin. Aber entspannter ist das Arbeiten dort auf jeden Fall gewesen. Ich habe es genossen, Zeit zu haben, ich hatte viel Hilfe mit den Pferden. Hinni war viel mit mir ausreiten, er hatte wirklich immer gute Laune, hat immer mitangepackt und egal, was du ihn gefragt hast, er hat immer versucht, dir zu helfen. Er ist ein toller Mensch. Ich habe ihn viel mit den Pferden beobachtet und konnte ihn viel fragen. Ich liebe es, andere Perspektiven kennen zu lernen, andere, neue Blickwinkel. Es ist sehr lehrreich, sich andere Geschichten anzuhören. 

miia: Was war noch anders als in Deutschland?

Anna Lisa: In Deutschland reite ich – über einen längeren Zeitraum – immer die gleichen Pferde. In Island waren es immer wieder andere. Nachdem sich alles eingespielt hatte, waren es ca. 8 Pferde pro Tag. Flexibilität war gefragt, man musste sich sehr schnell umstellen.

miia: Flexibilität – eine wichtige Eigenschaft?

Anna Lisa: Auf jeden Fall, wenn man professionell mit Pferden arbeiten möchte. Man muss sich sehr schnell umstellen können, von einem Pferd auf das nächste. 

miia: Hattest du trotz der vielen Wechsel ein Lieblingspferd?

Anna Lisa: Oooooh ja 🙂 ! Er hieß Miðill frá Kistufelli. Er war wunderschön zu reiten. Ein positives und kluges Pferd. Ich mag es, wenn Pferde mitmachen wollen. Wenn du das Gefühl hast, ihnen hat der Ritt jetzt gerade genauso gut gefallen, wie dir. Ich bin schon viele tolle Pferde geritten, aber die Verliebtheit ist oft ausgeblieben. Miðill war von einer Freude und Leichtigkeit – einfach zum Verlieben. 

Foto by Anna Lisa Zingsheim

miia: Was gibt es für einen Unterschied zwischen den Pferden in Island und denen am Kontinent?

Anna Lisa: Naja, die Auswahl ist viel größer. Ich hab in der ganzen Zeit kein schlimmes Pferd im Stall gesehen. Ich bin kein Pferd geritten, auf dem ich mich unwohl gefühlt hätte. Es gab keinen Durchgänger, kein Bocken, das gab es dort einfach nicht! Das war super für mich – weil schlimme Pferde will ich mir nicht antun, ich möchte nicht auf einem Pferd sitzen und dabei ein unangenehmes Gefühl haben. Aber sicher gab es auch dort Typen von Pferden, die mir mehr zusagten als andere.

miia: Woran liegt dieser Unterschied deiner Meinung nach?

Anna Lisa: Ich glaube, die Pferde spüren ihre Heimat. Das Klima, die Haltung, das Futter – Island ist ihr Ursprung und vielleicht vermissen sie diesen Ursprung hier bei uns. Ich glaube außerdem, dass die Isländer viel authentischer mit den Pferden umgehen. Viel naturverbundener, sie spüren einander mehr – die Menschen und die Pferde. Es gibt mehr Ruhe, Gelassenheit – die Stimmung ist einfach anders.

Foto by Anna Lisa Zingsheim

miia: Was hast du dir mitgenommen?

Anna Lisa: Ich bin bewusst vor dem Winter nach Island geflogen, weil ich mir Inspirationen für das Wintertraining holen wollte. Jetzt, wo es ruhiger wird, beginnt das Wintertraining und ich wollte es heuer mit neuen Ideen und frischer Energie angehen. Und weißt du, was ich außerdem noch mitgenommen habe? Ich wollte Pferde für vier meiner Kunden finden. Ich bin zu einigen Höfen gefahren, um mich für sie umzuschauen. Drei meiner Kunden konnte ich glücklich machen 🙂 ! 

miia: Würdest du wieder nach Island gehen?

Anna Lisa: Ja!! Unbedingt! Ich habe in Island viele tolle Leute kennen gelernt und wurde auch eingeladen, zu kommen. Das möchte ich eventuell nächstes Jahr machen. Vielleicht nächsten Herbst. Ich habe ein starkes Verlangen danach, das noch einmal zu erleben. Ich habe aber jetzt schon, nach meinem ersten Arbeiten in Island, eine Idee davon, wie man dort lebt und arbeitet.

miia: Was ist für dich das Besondere an Island?

Anna Lisa: Einerseits die unfassbare Natur. Ich liebe ein naturverbundenes Leben, die frische Luft, ich sehe gerne Dinge, die die Natur geschaffen hat. Außerdem ist Island einfach ganz anders. Es macht mich neugierig, die Sprache interessiert mich auch sehr! Ich werde jetzt in Köln einen Sprachkurs besuchen. Da gibt es aber noch etwas, das mich fasziniert: Ich neige dazu, Angst zu haben, vor dem, was derzeit in der Welt passiert. Die Isländer tragen eine scheinbar unerschütterliche Sicherheit in sich. Sie fühlen sich wohl in ihrem Land, sie fühlen sich sicher. Das hat mich geerdet und ich habe versucht, dieses Gefühl mit nach Hause zu nehmen. Ich wünschte mir, diese Stimmung gäbe es auch bei uns zu Hause.

Foto by Anna Lisa Zingsheim

miia: Liebe Anna Lisa, danke für deinen tollen Bericht und das lange Telefonat, das wir geführt haben!    

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