Von Männern im Reitsport

Didi Weinberger ist 52 Jahre jung. Er lebt und arbeitet in Wien und ist ein begeisterter Islandpferdereiter. Seine Töchter Annika und Marie sind ebenso im Islandpferdezirkus zu finden, wie Didi selbst. Eine Ausnahme? Ein exotisches Beispiel für einen Mann, der gerne das Hobby seiner Töchter teilt?

Nein, bei Didi war es genau andersherum. Schon seit seiner Kindheit reitet Didi Islandpferde. „Ich bin mit Pferden groß geworden. Mitte der 1970iger Jahre hat meine Familie gemeinsam mit anderen Familien in Weistrach mit den Islandpferden begonnen. Obwohl ich immer von Pferden fasziniert war, bin ich bis zu meinem 12. Lebensjahr nur sporadisch geritten. Erst ab dann sehr intensiv. Seither hat mich diese Leidenschaft nicht mehr losgelassen.“

Didi und vier Islandpferde

Heute verbindet ihn dieses zeitintensive und wunderschöne Hobby mit seinen mittlerweile 18 und 21-jährigen Töchtern. Das Reiten wurde zu einem Familiensport. Didi verbringt jedes Wochenende bzw. jede freie Minute mit seinen beiden Töchtern bei den Pferden in Weistrach, die zur Familie gehören und nicht mehr wegzudenken sind.

Ich durfte mich mit Didi unterhalten. Über seine Vergangenheit und seine Gegenwart mit den Pferden – über die Rolle, die sie in seinem Leben spielen und wie es so war als reitender (männlicher) Jugendlicher.

miia: Didi, wie viele Pferde hast du denn aktuell?

Didi: Wir haben derzeit vier Stuten, drei sind selbst gezogen und eine stammt aus der Zucht von Reinhard Loidl.

miia: Du reitest seit deiner Kindheit. Wie war das damals?

Didi: Früher hatten wir bis zu zehn Pferde gleichzeitig. Der Großteil davon ist aber im Schulbetrieb gelaufen. Mein Vater hatte eine Schwäche für Isabellen. Wir hatten lange drei Isabellen gleichzeitig. Einer davon, Glaesir, ist wie ich 1970 geboren und wurde 36 Jahre alt. Der zweite hieß Forsetti und war unser erstes Pferd, das tölten konnte. Der dritte im Bunde war Eldir, das Pferd meiner Schwester. Mein erstes „eigenes“ Pferd bekam ich mit 14 (1984). Einen Schimmel namens Grámann frá Hofdalir. Er war ein unglaublich schneller Tölter, mir damals mehr als eine Nummer zu groß, aber ich habe viel vom ihm gelernt. Sobald man die Zügel aufgenommen hat, war der Motor an 🙂 ! Ich hatte die Möglichkeit viele und viele unterschiedliche Pferde zu reiten. 1996 habe ich die Prüfung zum Reitinstruktor abgelegt, aber danach nicht mehr viel unterrichtet. Ich habe nämlich begonnen in Wien zu arbeiten und damit endete meine reitintensive Zeit. 

miia: Wenn du das Reiten früher und heute vergleichst – hat sich etwas verändert?

Didi: Ich denke, dass – früher wie heute – eine solide Grundausbildung sehr wichtig ist. Leider gab es früher das Verständnis und den guten Reitunterricht noch nicht so einfach. Ich musste mir viel selbst beibringen. Davon profitiere ich noch heute, hat aber damals etliche Irrwege, oder Umwege bedeutet. Das Reiten und das Training von Islandpferden haben sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Ich versuche da Anschluss und für mich den richtigen Weg zu finden.

Didi mit Garun_Gerhard Hochholzer

miia: Was fasziniert dich heute?

Didi: Meine große Leidenschaft ist die Zucht. Ich habe bisher drei Fohlen gezüchtet. Mein Zuchtziel sind Fünfgänger mit klar getrennten Gängen. 2015 ist mein derzeitiges Reitpferd Gledi geboren. Sie ist eine Tochter von Odinn vom Habichtswald. Sie wird mein Pferd für die nächsten Jahre bleiben. Von ihr möchte ich eines Tages auch ein, zwei, drei Fohlen haben. 🙂

miia: Wie würdest du deine Gledi beschreiben?

Didi: Sie ist eine kleine Ballerina. Manchmal frech im Umgang vom Boden aus, aber unter dem Sattel sehr bemüht alles richtig zu machen. Fantastisch und fein zu reiten. Ein kluges Pferd, aber in ungewohnten Situationen schnell unsicher. Da war und bin ich als Reiter sehr gefordert ihr die Sicherheit zu geben. Derzeit arbeiten wir daran Balance zu finden und genügend Kraft aufzubauen. Ich habe angefangen mit ihr ab und zu wegzufahren, damit sie in entspannter Atmosphäre lernt, dass das auch Spaß machen kann. Mit Gledi fahre ich übrigens auch zur miia:meisterklasse im Februar.

Didi auf Gledi_Foto Marie Weinberger

miia: Was ist dir beim Reiten wichtig?

Didi: Ich wünsche mir von meinen Pferden neben Gehorsam, vor allem Mitarbeit. Da lege ich viel Wert drauf. Dazu muss das Pferd verstehen, was ich von ihm will. Es sollte Freude daran haben, was wir machen. Sich die richtigen Ziele zu setzen, halte ich für sehr wichtig. Das habe ich auch meinen Töchtern versucht zu vermitteln. Der Sieger, hat zwar gewonnen – ja. Er muss aber nicht am besten geritten sein, vielleicht hat er auch nur ein viel besseres (und teureres) Pferd. Es geht nicht nur ums Gewinnen, sondern um die Erfahrung. Ich kann Letzter geworden sein, aber trotzdem mit mir und meinem Pferd und unserer Leistung zufrieden sein. Unser Selbstbewusstsein darf nicht am Turniererfolg hängen. Wir haben unsere Pferde, für keinen WM-Titel würde ich auch nur eines davon hergeben.

Miia: Du hast deine beiden Töchter Annika und Marie von Klein an mit in den Stall genommen. Warum?

Didi: Das stimmt. Ich selbst habe in meiner Jugend viele positive Erfahrungen mit Pferden machen dürfen. Das wollte ich auch meinen Töchtern ermöglichen. Also habe ich sie von Anfang an mitgenommen. Aber – das war mir ganz wichtig – ich habe nie Druck ausgeübt, dass sie mitkommen „müssen“. Der Stall hat für sie immer auch „Freiheit“ bedeutet. Die habe ich versucht ihnen (altersentsprechend) zu ermöglichen. Am Anfang müssen Kinder im Umgang mit dem Pferd begleitet werden. Ansonsten finde ich es gut, wenn sie sich viele Dinge auch selbst erarbeiten müssen und nicht alles serviert bekommen. Ich finde auch, sie sollen nicht ständig Unterricht bekommen, sondern auch mal ausprobieren dürfen.

Annika und Marie_Foto von Didi Weinberger

Wir leben in einer immer natur- und tierferneren Welt. Geht man mit dem Hund durch Wien, erlebt man einiges, aber selten eine normale Reaktion von Kindern oder Eltern. Das finde ich sehr schade.

Wie wertvoll der Umgang mit Pferden oder Hunden ist (oder anderen Lebewesen), hat man sehr gut während der Corona Lockdowns gesehen. Auch wenn anfangs der Zugang zu den Pferden nur eingeschränkt möglich war, hatten wir doch die Möglichkeit rauszukommen.

Pferde sind gut für unsere charakterliche Entwicklung. Mit ihnen umzugehen, erfordert viel Wissen, Einfühlungsvermögen, und ganz wichtig, Ausdauer und Geduld. Pferde haben etwas Ausgleichendes, schüchterne Kinder müssen lernen selbstbewusster zu sein, selbstbewusste Kinder werden gebremst. Das konnte ich gut bei meinen Kindern beobachten. Auch der soziale Aspekt ist nicht zu unterschätzen, wir verbringen ja seeeeehr viel Zeit im Stall und treffen viele andere Menschen. Viele sind zu Freunden geworden.

Gréta_Foto Marie Weinberger

miia: Wie sieht denn dein Plan für das noch junge Jahr 2023 aus?

Didi: Meine Töchter sind groß, Annika ist bald mit dem Studium fertig und Marie maturiert im Frühjahr. Daher ist jetzt der Zeitpunkt, wo ich reiterlich wieder mehr machen kann. Ich möchte wieder das eine oder andere Turnier reiten, bin aber noch sehr weit weg davon. Hier bin ich erst dabei mir realistische Ziele zu setzen. Meine selbst gezüchteten und ausgebildeten Pferde schön und harmonisch vorstellen, das wäre mein Anspruch. Die miia:meisterklasse ist mein nächster Meilenstein. Dort freue ich mich vor allem auf die Mentaltrainerin Noreen Kläser-Eickenberg.

Didi Weinberger_Foto Marie Weinberger

miia: Und deine Pläne für die weitere Zukunft?

Didi: Auf mich haben meine Pferde eine beruhigende Wirkung. Ich liebe es ihnen beim Fressen zuzuschauen oder sie zu beobachten. Da kann ich mich gut regenerieren, nebenbei erfährt man viel über die individuellen Eigenheiten und Bedürfnisse, lernt sie kennen und kann so an ihrem Seelenleben teilhaben. Ich bin 52, als noch sehr jung :-). Ich möchte auch im Alter noch öffentlich reiten können, so dass man mir zuschauen kann und nicht denkt, oh Gott. Deshalb halte ich die persönliche Fitness ebenso wichtig, wie die Fitness vom Pferd. Auch achte ich darauf halbwegs schlank zu bleiben.

miia: Wenn man in die Islandpferdeställe schaut, erblickt man selten Männer …

Didi: Wir haben unsere Pferde in Weistrach stehen, da reiten relativ viele Männer. Und noch mehr Männer begleiten ihre Partnerinnen oder Kinder in den Stall. Männer sind bei uns also nichts Exotisches. Es gibt auch eine Handvoll männlicher Jugendlicher, aber im Vergleich zu den Mädchen sind das wenige. Womit das zu tun hat, weiß ich nicht genau. Reiten ist ein toller Sport. Ich weiß nur: In meiner Jugend hatte ich es wegen des Reitens nicht immer einfach. Ich musste mir von Gleichaltrigen viele blöde Kommentare anhören. Dass ich bei den Pferden bleibe, stand aber nie in Frage. Ich habe klar die Vorteile gesehen!

miia: Lieber Didi, vielen Dank für das Interview!

Didi: Sehr gerne! Wir sehen uns bei der miia:meisterklasse. Ich freue mich schon sehr darauf. Bin gespannt wie hoch die Männerquote da sein wird.

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