Röðull frá Hofsstöðum war ein ganz besonderes Pferd. Vorgestern ist er gestorben. Er war sehr alt, 33 Jahre. Aber einen Freund zu verlieren, ist nie einfach – egal, welches Alter er hat.
Karin Haiderer, die viele, viele Jahre die Besitzerin von Röðull war, hat mir geschrieben, weil sie sich von ihrem Freund verabschieden möchte. Ihm gerne Danke sagen würde. Ich finde so einen Brief am Anfang des neuen Jahres genau richtig. Er macht mir bewusst, dass unser aller Zeit ein Ablaufdatum hat. Dass man “Ich möchte mir mehr Zeit nehmen für diesen und jenen” nicht nur sagen oder auf eine Liste schreiben soll, sondern dass man es auch wirklich tun muss. Zeit füreinander nehmen, Zeit miteinander genießen, wann auch immer es möglich ist.
Anbei der Brief, den Karin mir über ihren Freund geschickt hat. Es ist mir eine Ehre, ihn zu veröffentlichen.
“Röðull frá Hofsstöðum, die „kleine rote Kugel“, wie ihn Uli Reber nicht ganz zu Unrecht liebevoll nannte, haben meine Mutter und ich in Bayern vom Lipperthof abgeholt. Röði war Irene Rebers Turnierpferd gewesen. Die Empfehlung bekamen wir von Gereon Wimmer, der damals bereits in Weistrach zu unterrichten begonnen hatte.
Ich kann mich noch genau erinnern. Dieses Pferd sah aus, als stecke kaum etwas in ihm, doch er konnte im Tölt ohne Fehler fetzen, wie kaum ein anderes. Dieses Gefühl war unfassbar. Er war immer cool wie Eisbärspucke. Röði brachte wirklich gar nichts aus der Ruhe. Und trotz seines geringen Temperaments ließ er sich zu Höhenflügen überreden. Er war mein einziges Turnierpferd. Nur mit ihm wollte ich diesen Rummel, denn Röði genoss ihn.
Er liebte es sich zu präsentieren. Er wachte dann erst so richtig auf. Er war in diesen Momenten der Überflieger. In einer Endausscheidung im Tölt bekamen wir doch glatt eine Neun von Rainer Zitterbart für das starke Tempo.
Als wir 1995 österreichische Jugendmeister im Viergang in Weistrach wurden, musste man noch eine Dressurprüfung ablegen. Auch das war null Problem für Röði. Er machte alles einwandfrei. Er war ein echter Kumpel mit Nerven wie Drahtseil – ganz im Gegensatz zu mir.
Röði bewies später, dass er auch als Anfängerpferd perfekt ist. Mein damaliger Freund und jetziger Mann lernte auf ihm reiten. Röði brachte eben nichts aus der Fassung. Einmal blieb er aus dem Trab stehen und mein Mann purzelte über ihn drüber. Ich konnte nicht anders als lachen.
Röði spendete mir ganz viel Trost, Kraft und Selbstvertrauen in meiner Jugend und Teenagerzeit. Wie viele hatte ich es nicht leicht in dieser Zeit und war froh einen Freund zu haben, der stundenlang geduldig zuhörte und mit mir durchs Marchfeld schaukelte. Wir liebten die alten Stallungen des Schloss Sachsengang und trainierten auf den Feldwegen – den Luxus von Ovalbahn hatten wir damals leider nicht. Oder nur in den Ferien im Waldviertel. In Schloss Rosenau genossen wir Unterricht von Brigitte Auer in der Halle und auf der Ovalbahn. Das hügelige Gelände war gnadenloses Training für Röðis Hinterhand. Bei den Fischteichen gingen wir auch schwimmen. Röði fürchtet sich nicht ein bisschen vor Wasser und schwamm im kühlen Nass, wie ich es sonst nur von Hunden kenne.
Einmal machten wir einen Ausritt mit vielen Teilnehmern. Beim Galopp wurden alle immer schneller und schneller. Dabei verlor jemand seine Ballenschoner. Röði blieb mit mir einfach stehen, während alle anderen im wilden Galopp weiterschossen. Ich stieg ab, hob den Ballenschoner auf und stieg wieder auf. Alles kein Problem für Röði.
Leider hatte Röði aber ein Lungenproblem. Jedes Jahr wurde es schlechter. Das Marchfeld war der schlechteste Ort für ihn. Wir wasserten sein Heu. Wir fütterten Wiesencobs und immer wieder gab es keinen Ausweg außer Cortison. Im Waldviertel war es besser, doch nach ein paar Sommern, war auch das nicht mehr möglich.
Über eine Annonce fanden wir einen Platz für ihn in Kärnten beim Hochobir. Dort stand er Tag aus Tag ein auf riesigen Weiden auf 1500m Seehöhe mit Blick auf einen Stausee und umringt von Bergen. Im Winter bekam er Heusilage – vollkommen staubfrei. Seiner Lunge ging es dort fantastisch. Röði war in Kärnten der Platzhirsch. Er war Begleiter für trächtige Stuten und sagte jungen Hengsten wie der Hase läuft.
Röði starb am 30. Dezember 2017 im Alter von 33 Jahren an einer schweren Kolik mit vollständigem Darmverschluss. Der Winter 2017 war geprägt von intensiven Temperaturschwankungen, die sein Kreislauf nicht mehr verkraftete. Er wurde durch eine Spritze von seinen Schmerzen erlöst.
Lieber Röði, ich danke dir so sehr für deine Kraft, für deine Geduld, für deine Begleitung durch schwere Zeiten, deine Einfühlsamkeit. Du bist der Beste.”
In Liebe
Deine Karin