Nanu? Wer wirst denn du?

Ein Fohlen selber zu ziehen muss wohl zu den spannendsten Dingen gehören, die ein Pferdebesitzer so erleben kann. Ich selber weiß es nicht so genau, ich hab mich noch nicht in dieses Abenteuer gestürzt und für mich als Freizeitreiterin hätte dies sicher zwar so manchen Reiz, aber wohl auch so manchen Nachteil. Was wird das denn für ein Fohlen? The best of two horses? Superstute plus Superhengst ergibt Superfohlen? Hmmm … das funktioniert wohl nicht immer. Sonst wär das ja gar zu einfach. Die Natur ist die Natur und lässt sich wohl nicht einfach so planen.

Eine, die sich damit wirklich gut auskennt, ist Barbara Kirchmayr-Urban. Sie ist Teil des Zuchtreferats des ÖIV und ich habe vor einiger Zeit gelesen, dass gerade die so genannte Fohlenreise organisiert wird. Was ist das denn Herziges hab ich mir gedacht? Es klingt jedenfalls wie ein Kindergartenausflug 🙂 . Um da ein bisschen mehr herauszufinden, hab ich mal bei Barbara nachgefragt:

miia: Wie kommt man eigentlich auf die Idee, zu züchten? Ist es nicht einfacher, ein schon “fertiges” Pferd zu kaufen?

Barbara: Züchten ist eine Leidenschaft, die, wenn sie einen einmal gepackt hat, nicht mehr so leicht loslässt. Wer Freude am Leben hat, und damit auch am Entstehenden, Werdenden, sich Entwickelnden, wer seine Pferde liebt, das Islandpferd hier im Speziellen, der wird unweigerlich einmal bei der Frage des Züchtens ankommen, sofern die Umstände das auch zulassen. Züchten ist in erster Linie mal kein Thema, mit dem man Geld verdienen kann. Soweit zum unangenehmen Teil der Sache.

miia: Wie geht man das dann an? Nach welchen Kriterien suchst du dir Vater und Mutter aus?

Barbara: Wenn man eine oder mehrere gute Stuten besitzt, und aus dieser Stute ein Fohlen ziehen möchte, will man natürlich, dass dieses mindestens so gut ist wie die Stute selbst – das heißt: „Züchten heißt verbessern wollen“.
Im besten Fall möchte ich die guten Eigenschaften der Stute und die des Hengstes im Fohlen vereinen, was natürlich nicht immer gelingt. Die Natur ist nicht so berechenbar, wie wir es gerne hätten. Eine Weltmeisterstute gepaart mit einem Weltmeisterhengst wird nicht automatisch einen Weltmeister zur Welt bringen, aber die Wahrscheinlichkeit, ein sehr gutes Pferd zu bekommen, ist ziemlich hoch. Prinzipiell ist es wichtig, die Schwächen der Stute mit einem Hengst auszugleichen, der nicht genau die gleichen Schwachpunkte hat. Ich werde zum Beispiel für eine Stute mit unsicheren Grundgangarten, aber gutem Tölt und Pass, einen Hengst mit starken Grundgangarten wählen und nicht den erstbesten Hengst, der gleich um die Ecke wohnt. Außerdem sollte man auch die Nachzucht des Hengstes etwas genauer ansehen, um auf die Vererbbarkeit mancher Eigenschaften Rückschlüsse ziehen zu können.

miia: Wie ist das, wenn man dann zum ersten Mal das neue Fohlen sieht? Stell ich mir schrecklich schön vor 🙂 !

Barbara: Die Freude über die neugeborenen, gesunden Fohlen, die nur so vor Leben strotzen, ist jedesmal wieder riesengroß und man würde natürlich alle am liebsten behalten. Wenn man aber in größerem Rahmen züchtet, also mehrere Stuten und jedes Jahr Fohlen hat, wird man bald an seine Grenzen stoßen. Züchten heißt also auch „loslassen“. Die Pferde, die man von Geburt an kennt, aufwachsen gesehen hat, vielleicht auch, wie bei uns, selbst ausgebildet hat, lässt man nur ungern ziehen und will sie in jedem Fall in guten Händen wissen.

miia: Freut sich eine Züchterin eigentlich mehr über ein Stut- oder ein Hengstfohlen?

Barbara: Wenn das Fohlen da ist, freut man sich als Züchter besonders über Stutfohlen. Gute Stuten sind in der Zucht immer gefragt, Hengste müssen überragend sein, um als Deckhengst eine Berechtigung zu haben. Es gibt am Isländermarkt viel zu viele Hengste und in der Zucht oftmals viel zu wenig gute Stuten. Beim Hengstfohlen kommen natürlich auch die Kosten für die Kastration dazu – die ich mir beim Stutfohlen spare. Gute Stuten mit interessanter Abstammung haben auch einen höheren Verkaufswert als ein Wallach.

miia: Erkennt man das Talent eines jungen Pferdes sofort? Oder sieht man das erst später?

Barbara: Das Fohlen wird in den ersten Lebenstagen und -wochen besonders genau beobachtet, das Exterieur begutachtet, natürlich auch besonders die Gänge und das Bewegungspotential. Talent sieht man vor allem in dieser Phase des Lebens.
Sind die Fohlen älter, wachsen sie hinten schneller als vorne, dann laufen sie oft nicht mehr so schön. Das darf den Züchter nicht beunruhigen. Das Talent zeigt sich später beim erwachsenen Pferd wieder.

miia: Kann man das immer selber erkennen?

Barbara: So kommen wir nun zum Sinn und der Aufgabe der „Fohlenreise“. Die Idee ist, möglichst viele Isländerfohlen in Österreich von einem erfahrenen Zuchtrichter (heuer ist das Herdis Reynisdottir, in den Jahren zuvor waren es Uli Reber und Silke Feuchthofen) begutachten zu lassen und einer „Fohlenprüfung“ zu unterziehen. Beurteilt werden Gang, Exterieur und Interieur. Damit sind die Fohlen vergleichbar wie bei einem Fohlenchampionat, nur die Anfahrtswege sind kürzer, da es mehrere Stationen in ganz Österreich verteilt gibt. Die Idee stammt aus Deutschland und wird dort seit mehreren Jahren praktiziert. In Österreich gibt es heuer die dritte Fohlenreise, Veranstalter ist das Zuchtreferat des ÖIV und der Zuchtverband ÖIZV.

miia: Darf da jeder sein Fohlen bringen? Auch wenn er oder sie keine professionelle Züchterin ist?

Barbara: Eingeladen sind dazu natürlich alle, vom kleinen Hobbyzüchter, der vielleicht nur ein Fohlen hat und auch seine Stute gleich beurteilen und ins Zuchtbuch aufnehmen lassen will, bis zum professionellen Züchter, der gleich mehrere Fohlen und Stuten zum Prüfen hat.
Das zusätzliche Service des Zuchtverbandes ÖIZV ist, dass bei dieser Fohlenprüfung das Fohlen oder auch, falls notwendig die Stute gleich registriert und „aufgenommen“ wird, was in jedem Fall notwendig ist, um einen Equidenpass zu erhalten. Die Fohlenreise ist in erster Linie ein Baustein in der Entwicklung der Zucht. Züchter bekommen ein Feedback über ihr Zuchtprodukt und können dadurch Entscheidungen für die positive Entwicklung in ihrer Zucht fällen. Nicht alle Zuchtprodukte sollen zukünftige Weltmeister werden. Wir brauchen besonders auch leistungwillige Pferde mit gut verteilten Gängen, leicht zu reitendem Tölt und vor allem auch gutem Charakter – also Pferde, die dem ambitionierten Freizeitreiter Spaß machen und Entwicklungsmöglichkeiten zulassen.

miia: Darf man da eigentlich zuschauen kommen?

Barbara: Zuschauer sind bei jeder Station natürlich willkommen! Es ist auch für Laien schön, die Mutterstuten mit ihren Fohlen freilaufend in der Halle zu sehen und die Kommentare der Richter zu hören und dabei das Auge zu schulen. Besonders zuschauerfreundlich ist heuer der erste Tag der Fohlenreise (am 4.September 2016) im Rahmen der NÖM in Weistrach. Der weitere Verlauf der Reiseroute wird auf der ÖIV und der ÖIZV Homepage noch bekanntgegeben.

miia: Wenn du an die Fohlen aus deiner eigenen Zucht denkst? Hast du schon einmal etwas Besonderes erlebt?

Barbara: Skjona vom Fehrerhof zum Beispiel. Sie war eine Zuchtstute von uns, die eher durchschnittlich viergängig veranlagt und uns drei sehr unterschiedliche Fohlen mit verschiedenen Vätern geboren hat. Ihre Tochter Snaelda von Weistrach, meine schnelle Rennpassstute, Tochter von Fjölnir frá Efri-Raudalaek, hat das Talent für Rennpass eher vom Großvater Solon frá Holi geerbt, das hier durchgeschlagen hat. Bei ihrer Geburt war gerade die Geburtstagsfeier unseres mittleren Sohnes Sebastian im Gange und die ganze Familie, samt Großeltern und Freunden war bei der Geburt dieser schönen Scheckstute mit dem Fischauge dabei. Ich dachte mir: “Die wird was Besonderes!”
Snaelda wiederum hat vierjährig ein Stutfohlen von Draupnir vom Lipperthof geboren, das beim damaligen Fohlenchampionat in Stadl Paura beeindruckend lief und zweitplatziert bei den Stutfohlen wurde. Dieses Pferd wird gerade ausgebildet und entwickelt sich vielversprechend .
Für mich persönlich ist es besonders schön, ein Pferd aus der eigenen Zucht erfolgreich im Sport vorzustellen und die Weiterentwicklung in der Zucht zu beobachten. Hier ein paar Fotos aus dem Familienalbum (Anm.: alle von Christiane Slawik gemacht):

miia: Herzlichen Dank, liebe Barbara für dieses interessante Gespräch! Ob ich mich jemals in das Abenteuer des eigenen Fohlens stürzen werde, kann ich nicht sagen. Wer weiß das schon? Aber bei der Fohlenreise in Weistrach am 4. September – da bin ich dabei! Und freu mich schon drauf 🙂 !

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